CTC - communities that care

IGEL
Das IGEL Programm - Prävention von sexualisierter Gewalt in der Primarstufe
Effektivität wahrscheinlich

Programminformationen

Ziel
Durch Verbesserung des Wissens über sexuellen Missbrauch die Schutzfähigkeit von Kindern stärken.
Zielgruppe
Grundschulkinder der 3. und 4. Klassen.
Verhalten/Verhältnis
ausschließlich verhaltensbezogen
Ausschließlich verhaltensbezogene Programme setzen die Maßnahmen direkt am Individuum an, um gesundheitsbezogenes Verhalten zu beeinflussen. Dabei sollen für die Gesundheit riskante Verhaltensweisen (z.B. Rauchen, riskanter Alkoholkonsum) vermieden bzw. verändert werden sowie gesundheitsförderndes Verhalten unterstützt werden (z.B. gesunde Ernährung, Bewegung).
 
Methode

In sieben Unterrichtsstunden wird den Schülerinnen und Schülern von der im Programm fortgebildeten Lehrkraft kindgerecht Wissen über sexualisierte Gewalt und Präventions- bzw. Hilfemöglichkeiten vermittelt. Das Erkennen und Abwehren sexuell grenzüberschreitender Situationen wird mit verschiedenen didaktischen Methoden eingeübt.

Insgesamt soll an der Schule eine Kultur der Aufmerksamkeit geschaffen und schulorganisatorische Veränderungen (Schutzkonzepte für Kinder) vorgenommen werden. Grundlegend dafür ist die Sensibilisierung des gesamten Schulpersonals gegenüber sexualisierter Gewalt sowie das Erkennen und adäquate Reagieren bei Übergriffen. Dafür wird eine dreistündige Personalschulung durchgeführt. Das ausführende pädagogische Personal wird in weiteren zwei Stunden zu den Programminhalten geschult.

Die Eltern der Kinder werden über Elternabende und Elternbriefe einbezogen.

weiteres zur Zielgruppe
Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten das Thema sexuelle Gewalt mit qualifizierten Lehrkräften der Schule, nicht mit externen Personen.
Material
Das Manual ist 2016 als Fachbuch im Beltz Juventa Verlag erschienen und enthält u.a. eine Handlungsanweisung (Checkliste) bei einem Verdachtsfall. Außerdem wird die Evaluation der Pilotphase (Prozess- und Ergebnisevaluation) dargestellt und daraus folgende Ergänzungen wurden in das Manual integriert.
Zahlreiche Materialien sind zum Download erhältlich.
Kosten und Aufwand
mit (€) gekennzeichnete Posten erfordern finanzielle Leistungen an Externe
€ für Inhouse-Schulungen (z.B. als SchiLF).
Ansprechperson

Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, wissenschaftlicher Berater
Dr. Wilhelm Körner
E-Mail: wilhelm.koerner@web.de

Universität Bielefeld, Fakultät für Erziehungswissenschaften
Prof. Dr. Ullrich Bauer
E-Mail: ullrich.bauer@uni-bielefeld.de

Evaluation

Czerwinski, F.,  Finne, E.,  Alfes, J., Kolip, P. (2018). Effectiveness of a school-based intervention to prevent child sexual abuse- Evaluation of the German IGEL program. Child Abuse and Neglect, 86, 109-122.

Alfes, J., Finne, E., Czerwinski, F., Kolip, P. (2017). Prävention sexualisierter Gewalt. Zur Implementierung des IGEL-Programms in Grundschulen. Präv Gesundheitsf, 12, 112-117.

Alfes, J., Finne, E., Czerwinski, F., Kolip, P. (2016). Evaluationsergebnisse zum IGEL Programm. In: Körner, W., Bauer U., Kreuz, I. (Hrsg.) Prävention von sexueller Gewalt in der Primarstufe. Manual für Lehrerinnen und Lehrer. Das IGEL Programm. Weinheim: Beltz Juventa, S. 169-175.


Programmbewertung

Konzeptqualität
Kriterien sind erfüllt.
Umsetzungsqualität
Kriterien sind erfüllt.
Evaluationsmethode und –ergebnisse
Czerwinski et al. 2018:
Der Artikel stellt die quantitative Ergebnisevaluation des Programms detailliert dar, während sie im Manual gekürzt beschrieben wurde.
Es haben 292 Drittklässlerinnen und Drittklässler (aus acht Interventionsschulen und vier Kontrollschulen) und 328 Elternteile an der Studie teilgenommen. Es wurden  schriftliche Befragungen vor der Programmdurchführung, unmittelbar im Anschluss und drei Monate danach durchgeführt. In die Auswertung konnten die Angaben von 291 Kindern und 313 Elternteilen (von 187 Kindern) einbezogen werden.
Erfasst wurde bei den Schülerinnen und Schülern:
1) das Wissen zu sexuellem Missbrauch (mit der deutschen Fragebogen-Version des "Tutty´s Children´s Knowledge of Abuse Questionnaire", CKAQ),
2) die Fähigkeit sexuellen Missbrauch zu erkennen (anhand von Aussagen zu Nacktheit und Sexualität, die einen vs. keinen sexuellen Missbrauch beschreiben),
3) die Auswahl von adäquaten Handlungsstrategien (anhand eines Fallbeispiels mit 15 Handlungsoptionen von passiv bis proaktiv, die es jeweils zu bewerten galt).
Um mögliche negative Effekte des Programms zu erkennen, wurden zusätzlich Ängstlichkeit (mit der deutschen Fragebogen-Version des "Screen for Child Anxiety Related Disorders", SCARED) und Berührungsabneigung (anhand von Fragen zur Abneigung bei Berührungen von Eltern, anderen Kindern, Lehrkräften oder in Menschenmengen) erhoben.
Die Eltern wurden ausschließlich zu den möglichen negativen Effekten Ängstlichkeit und Berührungsabneigung befragt. 
Als Ergebnisse wurden statistisch signifikante Verbesserungen mittlerer Stärke zugunsten der Interventionsgruppen bei den Wissensaspekten (1) und den Handlungsaspekten (3) gemessen; auch drei Monate nach der Messung. Ein Anstieg der unerwünschten Effekte durch das Programm wurde nicht berichtet. Die Verbesserungen zeigten sich sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen. Allerdings wiesen Schülerinnen und Schüler, die nicht vorrangig deutschsprachig aufwachsen, insgesamt zu allen Zeitpunkten geringe Werte bei den positiven und höhere Werte bei den negativen Outcomes auf. Sie erreichten jedoch Verbesserungen in gleichem Ausmaß, wie die deutsprachig aufwachsenden Schülerinnen und Schüler. Einschränkend ist anzumerken, dass in der Evaluation keine randomisierte Zuordnung der Studienteilnehmenden erfolgte und keine längerfristigen Effekte gemessen wurden.

Diese quantitative Evaluation ist die Grundlage für die Bewertung des Programms, denn die Wirksamkeitsmessung anhand von kindbezogenen Outcome-Parametern ist das zentrale Kriterium für die Grüne Liste Prävention.
 

Alfes et al. 2017:
Der Artikel bezieht sich vorrangig auf die Ergebnisse der qualitativen Prozessevaluation des IGEL Programms. Die Umsetzbarkeit des Programms wurde mittels Dokumentationsbögen von 15 Lehrkräften und Interviews mit sieben Lehrkräften erfasst. Als Ergebnisse zeigten sich eine überwiegend planmäßige Umsetzung, eine große Akzeptanz und positive Stundenbewertungen. Hervorgehoben wurden die Flexibilität des Programms, die Kompatibilität mit den schulischen Strukturen sowie die sorgfältig ausgearbeiteten Stunden und bereitgestellten Materialien. Außerdem werden die Workshops und das kontinuierliche Beratungsangebot positiv bewertet. Es wurde ermittelt, dass das Klassenklima in der zweiten Unterrichtseinheit (Thema: Definition von sexuellem Missbrauch) variiert und z.T. Unbehagen entsteht. Angeregt wurde eine Überarbeitung in Richtung mehr methodischer Freiheiten, die deutlichere Berücksichtigung interkultureller Lebenskontexte, die Verknüpfung mit dem Sexualkundeunterricht sowie die stärkere Einbindung der Eltern und des schulischen Personals.
 
Diese Prozessevaluation mit den Lehrkräften ist nicht die Basis für die Bewertung der Grünen Liste Prävention, da hier keine kindbezogenen Outcome-Parameter im Zentrum stehen.
Ergebnisbewertung
(Überwiegend) positiv
Evaluationsniveau und Beweiskraft
Quasi-Experiment in der Praxis ohne Follow-up (3 Sterne) mit schwacher Beweiskraft.
Zeit bis zu erwartbaren Auswirkungen auf Risiko- bzw. Schutzfaktoren

Programmumsetzung

erforderliche Kooperationen
Grundschulen, Expertinnen und Experten (Klärungsfachleute) für einen Verdachtsfall.
Unterstützung bei der Umsetzung
Kontinuierliche Beratungsmöglichkeit, auch nach Schulungsende.
Programm probiert in
Nordrhein-Westfalen

Suchzugänge

Präventionsebene (nach Zielgruppe)
Lebensumfeld
Alter der Zielgruppe
8 9 10 

Das Programm wurde am 30.04.2021 in die Datenbank eingestellt
und zuletzt am 20.11.2024 geändert.


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