Bevor mit dem Programm begonnen werden kann, sollten zwei Rahmenbedingungen erfüllt sein: Zum einen muss bei allen Beteiligten ein entsprechendes Problembewusstsein entwickelt sein, d.h., dass Mobbing unter Schülerinnen und Schülern ein häufiges Problem mit teilweise schwerwiegenden und langfristigen Folgen für die Betroffenen darstellt und die Betroffenen sich nicht selbst aus ihrer Lage befreien können. Zum anderen müssen die Lehrkräfte den momentanen Zustand ändern wollen und bereit sein, ein umfangreiches whole-school Programm zu implementieren, das zu einer dauerhaften Änderung der Schulkultur und der Verhaltensnormen führen kann. Der Start des Programms erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst ist das positive Votum der Gesamtlehrerkonferenz nötig, um mit dem Programm zu beginnen. Auch die Verabschiedung auf der Schulkonferenz kann sinnvoll sein. Zu Beginn der ca. 18-monatigen Implementierung findet eine Fragebogenerhebung statt, in der alle Schülerinnen und Schüler den Ist-Zustand des Mobbingproblems einschätzen. Die Ergebnisse der Befragung bilden die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen. Das Programm hat folgende vier zentrale Bausteine:
1. Olweus-Lehrkräftegruppen (Studien- und Supervisionsgruppen):
Diese Kleingruppen von 6-15 Personen umfassen das gesamte Kollegium. In den Kleingruppen wird zunächst anhand des Olweus-Handbuchs das Programm über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten erarbeitet. Die Lehrkräftegruppen befassen sich mit folgenden Inhalten: Mechanismen und Formen des Mobbings unterscheiden; Mobbing erkennen, intervenieren und nachhaltig stoppen; prosoziales Verhalten bei Schülerinnen und Schülern fördern; angemessen verstärken und sanktionieren; systematisch mit dem Kollegium und Eltern zusammenarbeiten. Im Anschluss an die Implementierungsphase geht das Format der Treffen von einer Studiengruppe in eine gegenseitige Supervision über, konkrete Fälle bzw. andere schwierige soziale Situationen und soziale Themen im weitesten Sinne können besprochen werden.
2. Gute Klassenleitung („Class Room Management“):
Ziel hierbei ist das Schaffen einer ungestörten und positiven Lernumgebung in der Klasse. Dafür sind unter anderem Wissen über die einzelnen Schülerinnen und Schüler, Beziehungsarbeit, positive Erwartungen und Gespräche erforderlich. Andererseits sind jedoch auch klare Grenzen für inakzeptables Verhalten und eine konsequente Anwendung von angemessenen positiven Verstärkern und negativen Sanktionen nötig. In den Olweus-Gruppen wird ein klar definiertes System von korrigierenden Maßnahmen (Sanktions-Leiter), aber auch ein System positiver Verstärker erarbeitet.
3. Klassengespräche:
Regelmäßig werden Klassengespräche mit den Schülerinnen und Schülern geführt. Diese geben Einblick in die sozialen Beziehungen der Klasse, fördern ein gutes Klassenklima und etablieren positive soziale Gruppennormen. Die von Klassenlehrkräften angeleiteten Gespräche haben folgende Inhalte: Klassenregeln gegen Mobbing einführen, erläutern, einüben, überwachen und verstärken; den Begriff Mobbing und verschiedene Rollen im Mobbing-Geschehen verstehen; Arbeit mit den Olweus-Materialien (Film, Arbeitsblätter, Diskussionsleitfäden, Rollenspiele etc.).
4. Pausenaufsicht:
Die Pausenaufsicht nach dem Olweus-Prinzip zeichnet sich durch gezielte Präsenz, Konsequenz und Einheitlichkeit aus. Die jährliche, anonyme Befragung der Schülerinnen und Schüler gibt Auskunft darüber, wo und unter welchen Umständen Mobbing an der jeweiligen Schule stattfindet. Das Programm thematisiert geeignete Möglichkeiten der Intervention und Weiterverfolgung bei Mobbingfällen/ Verdachtsfällen und der Verbesserung des Informationsaustauschs zum Pausengeschehen unter den Lehrkräften und liefert Informationen zur Erkennung von direkt beobachtbaren Mobbingsituationen.
Ergänzend finden, wenn nötig, Interventionen auf persönlicher Ebene bei Mobbing-Fällen bzw. Verdachtsfällen statt. Die jährliche Befragung von Schülerinnen und Schülern sowie Elterninformation durch Broschüren und Elternabende runden das Programm ab. Jede Schule wird von einem sogenannten Olweus-Coach begleitet. Dieser erhält eine fünftägige Ausbildung zum Programm und unterstützt die Schulen in dessen Aufbau.
Das Olweus-Programm arbeitet auf drei Ebenen: Schule, Klasse und persönliche Ebene.
Die wichtigsten Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen stellen sich wie folgt dar:
- Maßnahmen auf Schulebene: Olweus-Gruppen, jährliche Befragung der Schülerinnen und Schüler, erhöhte Pausenaufsicht, vermehrte Kooperation zwischen Lehrkräfte und Eltern, verantwortliches Lehrkräfteteam (Steuerungsgruppe), evtl. Pädagogischer Tag
- Maßnahmen auf Klassenebene: Klassenregeln, Lob und Sanktion, regelmäßige Klassengespräche, kooperatives Lernen, gemeinsame positive Aktivitäten, Verbesserung der Beziehungen von Lehrkräften und Schülerinnen bzw. Schülern
- Maßnahmen auf persönlicher Ebene: Gespräche mit den Täterinnen bzw. Tätern, Opfern, Eltern
Die Grundprinzipien des Programms umfassen eine von Wärme, positiver Anteilnahme und Beteiligung der Erwachsenen geprägte schulische Umgebung, die Schaffung klarer Regeln gegenüber inakzeptablen Verhaltensweisen und die Anwendung von nichtfeindlichen, nichtkörperlichen Konsequenzen bei Regelverletzungen.
Ein wichtiger Punkt des Programms ist die Zusammenarbeit von Lehrkräften und Eltern. Die Eltern müssen von den geplanten Veränderungen an der Schule unterrichtet werden, außerdem sollen sie aufgefordert werden, aktiv an den Bestrebungen der Schule mitzuarbeiten und im Falle von auftretenden Schwierigkeiten Kontakt zu halten. Die Zusammenarbeit kann durch einen Elternabend zum Thema Mobbing eingeleitet werden.