"Sich selbst kümmern" heißt, die Lösung nicht von Anderen zu erwarten, sondern die eigenen Fähigkeiten zur Konfliktlösung zu nutzen bzw. zu entwickeln. Es heißt auch, gemeinsam an der Konfliktlösung zu arbeiten. Dies setzt die Bereitschaft zur Mitwirkung der verschiedensten Akteurinnen und Akteure voraus.
Kinder und Jugendliche, die ihre Freizeit an öffentlichen Plätzen und Orten verbringen, werden von Erwachsenen oder auch von anderen Kindern und Jugendlichen oft als störend oder sogar bedrohlich wahr genommen. Zum Teil verhalten sie sich auch delinquent. Es kommt zu Konflikten zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander oder auch zu Konflikten mit Erwachsenen wie z.B. Anwohnerinnen und Anwohnern. Die Konfliktbeteiligten sind in den meisten Fällen weder bereit noch in der Lage ihre Konflikte frühzeitig bzw. selbstständig zu lösen. Häufig wird die Polizei eingeschaltet, auch wenn der jeweilige Konflikt (noch) außerhalb ihres Aufgabenbereichs liegt. Konflikte eskalieren oder verlagern sich an andere Orte, ohne dass die Ursachen hinterfragt und die Probleme langfristig gelöst werden.
Das Modellprogramm "Wir kümmern uns selbst" fußt auf Erfahrungen aus der Kinder- und Jugendhilfe, Maßnahmen zur Lebenswelt- und Bedarfsorientierung sowie zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements, die in Projekten der kommunalen Kriminalprävention und Stadt- und Gemeinwesenmediation gemacht wurden. Es knüpft an Community-Ansätze des angelsächsischen Raums an, denen die Idee des "gemeinsamen Sich-Kümmerns" im Stadtteil und die institutionelle Vernetzung in der Kommune zugrunde liegen. Es bietet keine fertigen Lösungsstrategien, die nur übertragen werden müssen, sondern eröffnet einen Raum, in dem Lösungswege entwickelt und erprobt werden.
Das Programm setzt bei konkreten Konfliktkonstellationen im öffentlichen Raum an, in die Kinder und Jugendliche involviert sind und die als Störung oder Bedrohung erlebt werden. Der Sozialraum bildet den direkten Bezugsrahmen im Konfliktbearbeitungsprozess. Jugendliche und erwachsene Konfliktbeteiligte werden aktive Partnerinnen und Partner bei der Bearbeitung von Konflikten "auf gleicher Augenhöhe". Die Unterstützung durch professionelle Beratende richtet sich an den Bedürfnissen der Konfliktparteien aus. Sie erfolgt passgenau nach Bedarf.
Die Konfliktbearbeitung erfolgt unter Mitwirkung von Konfliktkoordinatorinnen und -koordinatoren durch die Konfliktparteien selbst sowie ggf. weiterer Akteurinnen und Akteure aus dem Sozialraum bzw. der Kommune, die zu einer Lösung des Konflikts beitragen können. Die Konfliktkoordination wird für jeden Konflikt neu ausgewählt. Alle Beteiligten werden unter Berücksichtigung ihres Alters sowie ihres sozialen und kulturellen Hintergrunds frühzeitig und verantwortlich in die Lösung der Konflikte einbezogen.
Im Programmverlauf sollen die verschiedensten Akteurinnen und Aktuere eingebunden werden. In jeder beteiligten Kommune gibt es eine Kontaktperson, die das Programm koordiniert und mit der Programmagentur zusammenarbeitet. Die Auswahl eines Sozialraums erfolgt durch einen Personenkreis, der sich aus den kommunalen Strukturen und (kriminalpräventiven) Netzwerken ergibt, die in die Implementierung des Programms einzubeziehen sind. Ebenso werden vorhandene Erfahrungen in der sozialraumorientierten Kinder- und Jugendarbeit sowie finanzielle und personelle Ressourcen benötigt.
Die Programmagentur berät die Kommunen bei der Auswahl des Sozialraums, der Konflikte, ihrer Bearbeitung und begleitet die Prozesse vor Ort. Um den Erfahrungsaustausch zwischen den Standorten zu fördern, organisiert die Programmagentur halbjährlich Programmtage.